Beschreibung
Gespräch zweier Christbäume: So ein Aufrechter; sie nennen sich Menschen, hat mich heute Morgen mit einem großen Metallstock mit Zacken von meinem Wurzelstock getrennt. Oh je, oh je, jammerten meine Brüder und Schwestern.Wie werden wir dich vermissen. Wer wird jetzt auf uns aufpassen? Du bist doch der Älteste. Ihr schafft es schon, seufzte ich. Mein Schicksal ist es, ein Weihnachtsbaum zu werden. Wenn ich Glück habe, werde ich drei Wochen mit brennenden Kerzen und leuchtenden Kugeln in einem Wohnzimmer stehen. Vielleicht sind Kinder im Hause und es ist ein großes Glück, den Schein der Kerzen und Kugeln in ihren Augen glitzern zu sehen. Wie schön, meinten meine Geschwister und da ein leichter Wind aufkam, konnten sie mir mit ihren Zweigen nachwinken. Vorläufig wurde ich in eine Art Schuppen geschleppt und in eine Ecke gelehnt. Viel zu warm war es hier drinnen. Hoffentlich bekomme ich bald etwas zu trinken, ging es mir durch die Nadeln, sonst werde ich dürr, bevor sie mich schmücken.Grüß dich, hörte ich plötzlich eine hohle Stimme aus der gegenüberliegenden Ecke. So gut es in meiner sonderbaren Lage möglich war, wendete ich einige Zweige in die Richtung, aus der sie kam. Ja, wo stammst du denn her? entfuhr es mir unüberlegt. Sensibilität war meine Stärke nicht. Nie im Leben habe ich so eigenartig grüne Nadeln an den Zweigen gesehen. Ich bin fix und fertig als Weihnachtsbaum zur Welt gekommen, erwiderte der andere. Seine Stimme hatte den Klang eines Computers. Mit Kugeln, Kerzen und roten Schleifen, weißt du, fuhr er fort und hatte Mühe, seine Zweige in meine Richtung zu biegen. Ich komme aus China und werde aus Erdöl gefertigt. Anschließend werde ich mit vielen anderen in einen Container verpackt und mit einem Schiff nach Europa gebracht. Dann werden wir in große Warenhäuser verteilt. Dort hat mich eine junge, schlanke Frau entdeckt. Oh, wie schön und pflegeleicht, rief sie, als sie mich sah. Sie stellte mich im Wohnzimmer auf und klatschte dabei vor Freudein die Hände. Wie wunderbar. Die Kinder machen schon genug Unordnung, so habe ich wenigstens keine Arbeit mit dem Weihnachtsbaum. Aber oh je, erzählte er weiter. Als der Ehemann mit den Kindern nach Hause kam, gab es wegen mir einen riesigen Streit. Glaube mir: Ich konnte es mir nicht merken, was die Menschen sich so alles in ihrem Zorn an den Kopf werfen. Die Kinder weinten und der Vater zog seinen Mantel an und verließ das Haus. Na ja, ich wusste zwar nicht wie und was Weihnachten war, aber so hatte ich es mir nicht vorgestellt. Kathrin, die jüngste Tochter, weinte bitterlich: Aber Mami, schluchzte sie. Diesen Baum kann doch unmöglich das Christkind gebracht haben. Der riecht nicht nach Himmel und wo sind die Sterne, die kleinen Schaukelpferdchen und die silbernen Kugeln? Stefan, im ersten Schuljahr, schüttelte den Kopf: Wir haben doch in der Schule extra die Strohsterne gebastelt, damit das Christkind nicht soviel Arbeit hat. Schnell lief er in sein Zimmer im ersten Stock. Seine beiden Schwestern sollten nicht sehen, wie ihm die Tränen über seine Backen liefen.